schöpft ihren therapeutischen Nutzen aus der Fülle positiver Wirkungen des Gartens und der Gartenarbeit. Pflanzen- und gartenbezogene Aktivitäten und Erlebnisse werden zielgerichtet eingesetzt, um Menschen ganzheitlich zu erreichen und ihr körperliches, soziales, emotionales und geistiges Wohlbefinden zu erhalten und zu fördern. Gartentherapie eignet sich für jedes Alter, für ganz unterschiedliche Beschwerdebilder und kann gut mit anderen Therapieformen kombiniert werden.
Petra Hilbrandt
Gartentherapeutin,
Heilpraktikerin für Psychotherapie,
Fachtherapeutin Vorschule
und Autorin
Durch meine Tätigkeiten bin ich gleichermaßen nah am Menschen und nah an den Kreisläufen der Natur. Daraus ergeben sich viele schöne Möglichkeiten, um ganzheitliches Wohlbefinden glücken zu lassen und Menschen beim Aufblühen zu begleiten.
Kleine Lichtblicke
An düstergrauen Nebeltagen können einem die eigenen Beine schier zu schwer werden, um damit durch den Alltag zu trotten. Abends ist es bereits früh dunkel und Sonnenstunden sind rare Gute-Laune-Strahlen. Auf dunklen Pfoten kann sich hinterrücks die Wintermelancholie anschleichen. Wenn sich das Draußen von seiner brummigen Seite zeigt und so gar nicht einladend wirkt, wird es Zeit, gezielt nach kleinen Lichtblicken Ausschau zu halten und sie zu sich ins Drinnen zu holen.
Ohne Frage sind die leuchtenden Farben des herbstlichen Laubes eine Einladung besonders schöne Blätter zu sammeln. Für solche Spaziergänge wähle ich bewusst die hellste Zeit eines trockenen Tages. Mit einem konkreten Vorhaben („Um 14 Uhr werde ich eine Stunde spazieren gehen und mindestens zehn Blätter sammeln, die mir aus der Fülle des Laubes ganz besonders entgegenleuchten.“) kommt man zudem viel leichter von der Couch in Jacke, Mütze und Schuhe. Hat man trotzdem Mühe sich zu aktivieren, finde ich die Vorstellung hilfreich, dass das Sammeln der Blätter in ein größeres Vorhaben eingebettet ist.
Während des Spaziergangs wendet die Suche meinen Blick weg vom allgemeinen Verblühen hin zu den kleinen Farbwundern auf meinem Weg. Finde ich ein Blatt, das mir besser gefällt, kann ich ein anderes einfach zurücklassen. Lege ich zu Hause die getroffene Auswahl in die Blumenpresse, kann ich mich an den filigranen Feinheiten erfreuen. Dieser Arbeitsschritt kann mit einer kleinen Analyse der Alltagsaktivitäten verbunden werden. Was mir gut tut, darf gerne auf der Häufigkeitsskala nach oben rücken.
Sobald ich weiß, wo ich das spätere Arrangement hinstellen werde und welche Vase ich dafür verwende, führt mich mein nächster Spaziergang in den Wald, um den richtigen Zweig zu finden. Mein Wunschkandidat trägt kein Laub mehr und hat bereits etwas Patina angesetzt. So braucht er keine Wasser und kann über einen längeren Zeitraum in der Vase verweilen.
Im Wald genieße ich während meiner Suche mit den Augen die saftigen Grüntöne der verschiedenen Moose. Mit den Füßen genieße ich beim langsamen Abrollen das sanfte Versinken in der annehmenden Weichheit der Moosteppiche. Mit meinen Händen genieße ich die Reize der unterschiedlichen Rindenstrukturen der Bäume. In den nächsten Wochen wird mich der Zweig daran erinnern, dass es Lebewesen gibt, die einen Tag nach dem anderen so nehmen, wie es eben kommt. Die an jedem Morgen der neuen Melodie lauschen, mit der der Wind sie umspielt.
Sind die gepressten Blätter ausreichend trocken, mache ich sie mit einer dünnen Schicht Bienenwachs haltbarer. Es ist ein willkommener Nebeneffekt, dass ich den Duft von Bienenwachs sehr liebe und während dieser Tätigkeit gar nicht genug schnuppern kann. Es ist nur eine geringe Wachsmenge nötig. Zu beachten ist, dass es im Wasserbad geschmolzen wird (niemals Wachs direkt erhitzen!) und der Durchmesser des gewählten Gefäßes groß genug ist, damit die Blätter nacheinander waagerecht mit einer Pinzette eingetaucht werden können. Zum Erkalten lege ich die Blätter auf Backpapier. Ist alles gut erhärtet, kneife ich eventuell überstehende Wachsränder vorsichtig mit den Fingern ab. Weil die Blätter wahre Glanzpunkte in der dunklen Jahreszeit sein sollen, überziehe ich sie auf der Vorderseite mit einer Goldglitter-Wachsfarbe (gibt es für kleines Geld ebenso wie Wachspellets im Fachhandel).
Aus den Blättern sind nun funkelnde Schmuckstücke geworden, die ich sorgsam mit einem dünnen Golddraht an den Zweig binde, wo sie viele Wochen verweilen können. Wenn mir danach ist, binde ich zusätzlich Reagenzgläser fest, die ich mit Wasser und Schnittblumen fülle, die darin tagelang ein weiterer Blickfang sind. So hole ich mir kleine Sonnenstrahlen ins Innere und die sichere Gewissheit, dass das Draußen schon in wenigen Wochen auch wieder Erstrahlen wird.
Tomatenfreude
Die Tomate ist ein überaus beliebtes Gemüse mit enormer Sortenvielfalt. Es gibt sie in vielen Farben und Geschmacksvarianten, woraus sich eine Vielzahl von Verarbeitungsmöglichkeiten ergibt. Die Früchte sind vollgepackt mit für den menschlichen Körper wichtigen Inhaltsstoffen, die vor allem den Stoffwechsel positiv beeinflussen und stimmungsaufhellend sind.
Bei mir beginnt die gute Laune sogar schon vor dem Verzehr. Ich empfinde es als großes Geschenk, sonnenwarme Tomaten ernten zu dürfen.
Dieses Jahr habe ich aus Bio-Saatgut Sunviva (eine gelbe Cocktailtomate), die etwas größere Cocktailtomate Black Cherry, die Salattomate Ruthje und die Fleischtomate Wladiwostock gezogen. Sie stehen in zwei Reihen zu je vier Pflanzen in großen Töpfen unter einem Folienschutz, der oben, nach Osten und Westen geschlossen und zur Süd- und Nordseite hin offen ist. So sind die Pflanzen vor Regen ziemlich sicher und werden trotzdem schön durchgeweht.
Auf diese Weise haben wir eine reiche Ausbeute und können viele bunte Salate, lecker belegte Brote und würzige Suppen und Saucen zubereiten.
Wobei ich nicht nur den Geschmack liebe, sondern auch die Ernte genieße. Ganz bewusst versuche ich dabei ruhig zu hantieren und die Unterschiede der einzelnen Früchte sinnlich wahrzunehmen. Wie hat sich ihre Farbe seit gestern verändert? Ist die Tomate noch hart oder gibt sie auf sanften Druck leicht nach? Lässt sie sich bereitwillig pflücken oder warte ich lieber noch einen Tag? Je länger ich ernte, desto mehr setzt sich an meinen Fingern der typische Geruch fest, der selbst noch nach dem Händewaschen mit Seife leicht auf der Haut liegt und an das vergnügliche Pflücken erinnert.
Seit einigen Wochen bereichert ein weiterer „Spaßfaktor“ unser gärtnerisches Geschehen. Ein heftiger Sturm hat unsere Tomatenpflanzen zu einem unauflösbaren Gestrüpp ineinander verwirbelt und verwirrt, so dass die Ernte etwas an eine Schatzsuche erinnert.
Vor allem die doch relativ kleinen Black Cherry sind durch ihre dezente Grünfärbung im Blätterwirrwarr gar nicht so leicht zu entdecken und die Freude ist groß, wenn von der anderen Seite Früchte zu finden sind, die vorher nicht zu sehen waren.
Ich finde es äußerst verblüffend, dass die Pflanzen trotz der heftigen Wetterattacke keinen größeren Schaden erlitten haben und munter weiter Früchte gedeihen lassen. Es hat etwas von „Krönchen richten! Weiter machen!“.
Da es sich um samenfeste Sorten handelt, ist es möglich, die in den Samen gespeicherte Kraft und Erfahrung dieser geschmackvollen Superheldinnen in die nächste Saison mitzunehmen. Zur Samengewinnung wird eine annähernd perfekte Frucht ausgewählt, aufgeschnitten und mit einem Löffel der Samen herausgeholt. Die Masse wird mit einem Messer so auf ein Blatt Küchenkrepp gestrichen, dass der Glibber die Samen nicht mehr umhüllt und vom Papier aufgesaugt wird. Wichtig: Beschriften nicht vergessen! Das Papier wird für etwa einen Tag an einem warmen Platz ohne direkte Sonneneinstrahlung getrocknet. Dann kann man es gefaltet in ein Kuvert stecken, wo das Saatgut, kühl und trocken gelagert, relativ lange keimfähig bleibt.
Diese Kuverts enthalten für mich gespeicherte Vorfreude und Hoffnung auf Genuss und Wohlbefinden im nächsten Jahr.
Gartentherapie und unser Garten in der Zeitung (MZ) im Juli 2023: